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Das agile Organisationsmodell von Spotify ist aktuell in aller Munde. Doch was steckt hinter der Methode des schwedischen Musik-Streaming-Dienstes?
Was es mit Squads, Tribes, Chaptern und Guilds auf sich hat, erklärt der folgende Beitrag. Außerdem werden die Vor- und Nachteile des Modells vorgestellt und Unterschiede zu anderen Organisationsformen aufgezeigt. Weiterhin wird geprüft, ob das Spotify Modell sich auch für andere Unternehmen eignet. Abschließend werden agile Alternativen zum Modell von Spotify vorgestellt und ein Fazit gezogen.
In diesem Kapitel werden die Bestandteile des Spotify Modells genauer unter die Lupe genommen.
Aufbau des Spotify Modells
Bei einem Squad handelt es sich um ein multidisziplinäres Team, das selbstorganisierend arbeitet. In einem Squad sollen alle Kompetenzen vereint sein, die zur Entwicklung und Umsetzung eines Ziels oder Projekts benötigt werden. In der Regel bestehen agile Squads aus acht bis zehn Personen. Sie sind vergleichbar mit Scrum Teams.
Squads haben keinen Teamleiter, da sie sich selbst steuern. Allerdings wird ein sogenannter Product Owner (kurz: PO) gewählt, der Prioritäten für die Vorhaben / Arbeiten setzt. Squads arbeiten eigenverantwortlich und autonom: Organisation und Arbeitsweise wählen sie selbst.
Die Product Owner verschiedener Squads entwickeln wiederum eine Roadmap, die die strategische Ausrichtung des Unternehmens festhält. Von dieser leiten sich die einzelnen Product Owner das Product Backlog für ihr Team ab.
Unterstützung erhalten die Squads dabei von sogenannten Agile Coaches.
Ein Tribe besteht aus einer Gruppe von Squads, die am gleichen Produkt oder der gleichen Dienstleistung beteiligt sind. Sie haben einen oder mehrere Tribe-Leads, die dafür verantwortlich sind, eine ideale Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Üblicherweise haben alle Squads eines Tribes ihre Büros im gleichen Gebäude, um eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Zu einer guten Arbeitsumgebung gehört auch, dass Tribes aus nicht mehr als 100 Personen bestehen. Mit mehr als 100 Mitarbeiter:innen können Menschen nämlich keine Beziehung pflegen.
Auf regelmäßigen Meetings stellen die Squads eines Tribes ihre Arbeit vor.
Wie bereits angesprochen, sind Squads multidisziplinär, das heißt, sie bestehen aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Kompetenzen. Die sogenannten Chapters wiederum bestehen aus Mitarbeitenden derselben Expertise - also des gleichen Fachbereichs. Zum Beispiel kann ein Chapter aus Anwendungsentwickler:innen bestehen.
Chapter dienen dazu, dass sich Mitarbeitende mit demselben Know-how über ihre Erfahrungen und Herausforderungen austauschen können und Abstimmen können, z.B. in puncto Technologien, Tools, Prozessen und Methoden. Durch ein Chapter-Lead werden regelmäßig Meetings organisiert. Die Chapter-Leitung ist außerdem dafür verantwortlich, die Mitarbeitenden in ihrer Weiterbildung zu unterstützen.
Die Chapters sind quasi die in Aufbauorganisationen bekannten Fachabteilungen. Das primäre Team eines Mitarbeitenden ist jedoch sein Squad. Der Chapter-Lead ist jedoch der disziplinarische Vorgesetzte. Das Squad hat keine Hierarchie - keinen Team-Lead.
Ähnlich wie Chapter bestehen Guilds aus Mitarbeiter:innen mit dem gleichen Fachwissen oder den gleichen Interessen. Diese sind jedoch nicht auf einzelne Tribes begrenzt, sondern beziehen die gesamte Belegschaft des Unternehmens mit ein.
Guilds kann man als freiwillige Gemeinschaften verstehen. Sie haben keine Vorgaben durch das Management und tauschen sich nicht nur über fachliche Themen aus.
Das Spotify Modell zeichnet sich vor allem durch die Abkehr von klassischen Hierarchien aus. Autonomie wird hier großgeschrieben. Führungskräfte erfüllen zwar noch disziplinarische Funktion - aber nicht im primären Team (Squad) sondern im Chapter - und dort in einem dienenden Führungsstil (“servant Leadership”).
Im primären Führungsteam, dem Squad, gibt es keine Führungskraft - vielmehr eine Sonderrolle, den Product Owner (kurz: PO). Dieser priorisiert die Tätigkeiten des Teams nach Business Value - nach Wert, Ergebnis, Nutzen für das Unternehmen. Wie die Aufgaben erfüllt werden, entscheidet das cross-funktionale Squad für sich.
Spotify selbst bezeichnet sein Modell als eine “neu designte Matrixorganisation”.
Durch den multidisziplinären Aufbau der Squads wird verhindert, dass sich Silo-Strukturen bilden. Auf diese Weise kann der Kundenbedarf und die Kundenzufriedenheit in den Vordergrund gerückt werden - ohne dass die Teammitglieder konkurrieren. Alle sitzen im gleichen Boot und wollen nur das eine: Nutzen stiften
Kennzeichnend für das Spotify Modell ist außerdem eine fehlerfreundliche bzw. lernende und experimentierfreudige Unternehmenskultur. Risiken dürfen eingegangen werden, um Neues auszuprobieren - auf Fehler kann schnell reagiert werden, da Squads voll handlungsfähig und nicht abhängig von den Entscheidungen einer Führungskraft sind.
Albert Einstein sagte einmal: „Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht.“
Diese Fehlerkultur geht über das schlichte Lernen aus Misserfolgen hinaus:
Alle Mitarbeiter:innen bei Spotify haben die Möglichkeit, 10 Prozent ihrer Arbeitszeit damit zu verbringen, Neues auszuprobieren. In dieser sogenannten Hack Time können die Mitarbeitenden neue Tools oder Methoden testen und so ihre Arbeitsabläufe kontinuierlich weiterentwickeln.
Im Folgenden werden die Vorteile und Nachteile des agilen Spotify Modells untersucht.
Folgende Vorteile ergeben sich aus dem Spotify-Modell.
Folgende Nachteile des Spotify Modells.
Grundsätzlich ist das agile Spotify Modell für viele Unternehmen geeignet. Gleichzeitig ist die Einführung erst ab einer bestimmten Mindestgröße empfehlenswert, denn Mitarbeitende, die evtl. zuvor aus dem Fachsilo heraus mehrere (Teil-)Projekte, (Teil-)Produkte, oder (Teil-)Dienstleistungen zuständig. Ein Squad-Mitglied sollte nicht zudem Teil eines weiteren Squads sein - Expert:innen ausgenommen, die eher eine beratende Funktion einnehmen.
Zudem sollte das Modell an die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens angepasst werden. Dies erfordert jedoch ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung mit dem Spotify-Modell.
Zudem geht es vielmehr darum, die Prinzipien und die Philosophie zu verstehen, zu verinnerlichen und zu leben, die hinter dem Modell stehen.
Das Spotify Modell steht für Autonomie durch Alignment, also Abstimmung - über den Nutzen bzw. Zweck. Deshalb steht auch der Purpose des Unternehmens im Mittelpunkt,, sodass alle in dieselbe Richtung arbeiten, mit demselben Ziel vor Augen.
Weiterhin orientiert sich das Organisationsmodell von Spotify an agilen Methoden, um den sich ständig ändernden Herausforderungen gerecht zu werden und schnell darauf reagieren zu können. Scrum und Kanban sind hierfür Optionen - gleichzeitig werden die Teams dazu ermutigt, andere Methoden zu testen und im Erfolgsfall weiterzuempfehlen - beispielsweise über Guilds.
Wie bereits angerissen, ist die offene Lern- und Fehlerkultur ein entscheidender Erfolgsfaktor von Spotify. Es geht nicht darum, eine:n Verantwortliche:n für Fehler zu finden, sondern auf diese schnellstmöglich zu reagieren bevor größerer Schaden entsteht und aus ihnen zu lernen - und vor allem nicht wiederholt die gleichen Fehler zu begehen.
Spotify ermutigt seine Teams zum Experimentieren. Kreativität ist ausdrücklich erwünscht! In der extra dafür vorgesehen Hack oder Hacking Time können sie sich die Zeit nehmen, um ihre Arbeitsabläufe weiterzuentwickeln.
Das Spotify Modell sollte nicht einfach kopiert werden. Ein Unternehmen ist zu komplex, um eine agile Transformation einzuleiten, ohne die Veränderungen exakt auf die bestehende Organisation anzupassen. Hierzu bedarf es u.U. externe Experten.
Aus diesem Grund sollte das Modell von Spotify eher als Inspiration dienen, anstatt als Blaupause für die eigene Organisation. Die oben genannten Werte und Prinzipien bieten Orientierung dabei, den Weg in Richtung agiles und autonomes Arbeiten einzuschlagen.
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Der klassische Prototyp für die optimale Organisationsstruktur war lange Zeit die klassische Aufbauorganisation - und dies seit dem 17. Jahrhundert, als die ersten Handelsorganisationen diese Organisationsstruktur aus der Marine übernommen hatten - daher auch Begriffe, wie Chief Executive Officer. Auch heute sind viele Unternehmen noch nach diesem Prinzip organisiert. Die Top-down-Hierarchie kann allerdings Prozesse ausbremsen und Agilität verhindern. Außerdem mangelt es oft an Kundenorientierung - und es werden hauptsächlich individuelle Ziele und Vorgaben der Führungskräfte verfolgt.
Die Netzwerkorganisation wendet sich von klassischen Strukturen ab. Sie organisiert sich Prozessorientiert und kommt ohne klassischen Führungsstil aus. Hier steht immer der Teamgeist und der Nutzen für den Kunden im Vordergrund.
Die Teams arbeiten eigeninitiativ und -verantwortlich. Dies gewährleistet Agilität und Autonomie.
Neben dem Spotify-Modell gibt es weitere Formen von Netzwerkorganisationen: beispielsweise Holakratie und Soziokratie 3.0. Bei Holakratie bzw. Soziokratie 3.0 werden Teams in Kreisen durch Rollen selbstorganisiert. Die Kreise sind hierarchisch aufgebaut. Kreise einer niedrigen Ebene sind wiederum Bestandteil eines Kreises einer höheren Ebene.
Dabei gibt es unter anderem die Sonderrolle des Lead-Links / Circle-Leads (Holakratie) bzw. Leaders (Soziokratie), welche sich am ehesten mit der Rolle des Product Owners vergleichen lässt bzw. mit der Rolle eines Projekt- bzw. Teamkoordinators. Sie/er behält den Überblick über Zweck, Ziele und die Strategie seines Kreises. Außerdem vertritt der Lead-Link die Interessen des übergeordneten Kreises.
Einen Vorgesetzten gibt es nicht. Die Organisationsformen sind sehr ähnlich. Holakratie ist ein kostenpflichtiges Lizenzmodell und Soziokratie 3.0 unter der Creative Commons Attribution – ShareAlike 4.0 International License. Beide Modelle sind wesentlich komplexer als das Spotify-Modell.
Ansätze agilen Arbeitens sind in all diesen Formen der Unternehmensorganisation in unterschiedlichem Maß möglich:
Die Einführung von Management-Methoden, wie OKR und agilen Methoden, wie Scrum oder Kanban verändert die Organisationsstruktur der klassischen Aufbauorganisation zwar nicht - ermöglicht jedoch den Teams, ergebnisorientiert und agil zu arbeiten - sowie mehr Autonomie zu erreichen.
Auch bereits nach agilen Methoden arbeitende Unternehmen können von der OKR-Methode als effizientes Strategieumsetzungs- und Zielmanagementsystem profitieren. Objectives and Key Results - der “Nachfolger” von MbO - ist auf alle Organisationsformen anwendbar.
Vom Spotify Modell kann jedes Unternehmen etwas lernen. Jedoch ist zum Scheitern verurteilt, wer sein Unternehmen blind in dieses Gerüst zwängen möchte - ohne individuelle Anpassung, ohne einen Transformationsprozess und ohne erfahrene Experten und Coaches, die den Prozess begleiten. Squads, Tribes, Chapters und Guilds können eine enorme Bereicherung für Unternehmen sein.
Die Lehre, die aus dem Erfolg von Spotify und den Fehlschlägen anderer Firmen beim Versuch, das Organisationsmodell unbesonnen einzuführen, gezogen werden kann, ist die:
Vermeintliche best practices zu kopieren ist in so facettenreichen Kontexten wie der Unternehmensorganisation nicht zielführend. Es gilt, die Bedürfnisse und Rahmenbedingungen des eigenen Unternehmens zu analysieren und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln: Angefangen vom individuellen Teamschnitt, der Teamverantwortlichkeit, der Teamzusammensetzung, bis hin zur Beratung und Coaching der Teams für deren optimale Arbeitsmethode und das Coaching der Führungskräfte in ihrer neuen Rolle als “servant Leader” ist erfolgskritisch.
Vergessen Sie nicht, dass das Darwinsche Gesetz (bzw. Megginsons Satz) nicht nur für Spezies gilt. Es gilt auch für Unternehmen: “Nicht die stärksten oder die intelligentesten Unternehmen werden überleben, sondern diejenigen, die sich am schnellsten anpassen.” Und das agile Spotify Modell ist für die meisten Unternehmen eine wesentlich bessere Alternative als die traditionelle, starre und hierarchische Aufbauorganisation.
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