Bis Ende 2022 müssen Bund und Länder im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes Verwaltungsleistungen digital zugänglich machen. Wir sprachen mit den OZG-Experten der USU, Alexander Herber und Simon Kischkel, über den Stand der OZG-Umsetzung und über Herausforderungen, vor denen Behörden stehen.
USU: Alex, das OZG und die Kommunen verbindet nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick. Weshalb tun sich gerade Kommunen so schwer bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und wo stehen sie gerade?
Alexander Herber: Natürlich ist den Behörden bewusst, wie zeitkritisch die Thematik ist. Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet sie, bis 2022 alle Verwaltungsleistungen über Onlineportale zugänglich zu machen. Der Gesetzgeber zielt darauf ab, dass Bürgerservices so konzipiert werden, dass die Menschen sie auch nutzen. Das funktioniert nur mit einer einfach und intuitiv zu bedienender Software. Viele Kommunen haben hier viel höheren Nachholbedarf als kommerzielle Unternehmen. Die Webauftritte sind teilweise wenig einladend und oft unübersichtlich. Erst wenn die Online-Verwaltungsleistungen einen echten Mehrwert bieten, werden sie auch angenommen. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass die Behörden entlastet werden. Dazu müssen die IT-Abteilungen die Services oftmals von Grund auf neu konzipieren und abgesehen von der notwendigen Funktionalität auch die dazu passende „Citizen Journey“ berücksichtigen – nur so erreicht man Nutzerakzeptanz.
USU: Simon, Du realisierst seit Anfang der 90er-Jahre IT-Projekte für die öffentliche Hand und bist seit fast neun Jahren bei USU. Wie nimmst du die aktuelle Situation wahr?
Simon Kischkel: Der Innovationsdruck ist im Laufe der Jahre gestiegen. Um Verwaltungsleistungen online anzubieten, müssen die Behörden auch die internen Abläufe digitalisieren und Dienste konsolidieren. Angesichts komplexer Altsysteme handelt es sich dabei um eine Herkulesaufgabe und den Behörden läuft die Zeit davon. Es gibt keine einheitliche Infrastruktur und es sind kaum interne Ressourcen vorhanden, um die Systeme anschlussfähig für die Digitalisierung zu machen. Im Wettbewerb um IT-Fachkräfte können Behörden mit den Konditionen in der Wirtschaft nicht unbedingt mithalten und generell müssen die IT-Abteilungen mit spitzem Bleistift rechnen. Ohne kompetente Umsetzungspartner, die Durchblick haben und anpacken können, ist die OZG-Umsetzung kaum zu stemmen.
USU: Was muss ein Beratungs- und Entwicklungspartner mitbringen, um die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen effektiv voranzutreiben?
Simon Kischkel: Er muss sich auf jeden Fall hervorragend im „Behördendschungel“ auskennen und Experten für unterschiedliche Fachverfahren vorhalten. Entscheidungen werden in Verwaltungen anders getroffen als in der Wirtschaft. Hier sollte sich der OZG-Umsetzungspartner auf den verschiedenen Ebenen im Sinne seines Kunden durchsetzen können. Dazu gehört auch, Fallstricke zu erkennen und zu wissen, wo man den Hebel ansetzen muss, um ein Projekt durchzuboxen. Denn die IT-Verantwortlichen in den Behörden führen in der Regel zum ersten Mal einen bestimmten Bürgerservice oder ein voll-digitalisiertes Fachverfahren ein und sind auf einen Partner angewiesen, der ihnen Sicherheit gibt und sie dabei unterstützt, schnell ans Ziel zu kommen.
Alexander Herber: Wichtig ist auch, dass die Chemie zwischen Beratern und Verwaltungsmitarbeitern stimmt. Alle müssen an einem Strang ziehen, um schnell zu guten Ergebnissen zu kommen. Dazu gehören Experten für die Technologien und Verfahren ins Boot, die genutzt werden sollen. Es lohnt sich abzuklopfen, ob der Umsetzungspartner erfahrene und vielleicht zudem zertifizierte Mitarbeiter für das Projekt-, Test- und Qualitätsmanagement beschäftigt. Zudem müssen die technologischen Erfahrungen in der IT-Infrastruktur und den dazu passenden Portaltechnologien wie zum Beispiel Liferay DXP oder im Low Code Bereich mit Pega belegbar nachzuweisen sein. Auch sollte er gemeinsam mit Partnern alle Anforderungen abdecken können – von Plattformen über Datenbanken bis zu Entwicklungstools aller Art. Wir schließen uns häufig schon für die Ausschreibung zu Konsortien zusammen, um uns flexibel und individuell auf die jeweiligen Rahmenbedingungen einzustellen. Behörden reduzieren ihren Aufwand immens, wenn sie über einen einzigen Projektpartner die gesamte Software und Hardware beziehen. Dabei bedeutet „alles aus einer Hand“ auch, dass der Partner den gesamten Projektlebenszyklus abdeckt – von Strategieberatung, Konzeption und Design über die Umsetzung bis zu Wartung und Betrieb.
USU: Die Mammutaufgabe, Verwaltungsleistungen online anzubieten, beginnt also mit dem ersten Schritt, den richtigen Partner auszuwählen. Was möchtet Ihr unseren Leserinnen und Lesern dazu noch auf den Weg geben?
Simon Kischkel: Entscheider in Behörden sind gut beraten, wenn sie sich als Zielbild eher an einem Trusted Advisor orientieren, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, und weniger am Spezialisten für eine spezielle Technologie oder ein bestimmtes Fachverfahren. Letztere sind Mittel zum Zweck, die eine gute Beratung selbstverständlich abdecken wird. Es kommt darauf an, dem Partner das gesamte Change-Projekt zuzutrauen. Da die öffentliche Hand großen Wert auf Herstellerunabhängigkeit legt, spielt auch das ganze Thema „Open Source“ eine wichtige Rolle. Der IT-Partner sollte hier sattelfest sein. Für fast alle Anwendungsbereiche gibt es mittlerweile entsprechende Produkte. Außerdem wollen Vorgesetzte und die Öffentlichkeit schnell Ergebnisse sehen. Agile Verfahren wie Scrum kombiniert mit dem Vorgehensstandard V-Modell XT sind heute die Regel.
Alexander Herber: Vieles haben wir bereits angesprochen. Es sollte deutlich geworden sein, dass der Erfolg eines Projekts mit einer guten Vorbereitung steht und fällt. Sich für diese Planungsphase mehr Zeit zu nehmen, zahlt sich später aus. Neben einer kritischen Prüfung des Angebots gehört dazu auch, sich die Referenzen des Unternehmens anzuschauen. Decken diese alle Ebenen ab? Institutionen, die ihre Dienste digitalisieren, müssen diese am Ende des Tages in die nationale öffentliche Servicelandschaft integrieren.
USU: Vielen Dank für das Gespräch!
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Nehmen Sie Kontakt auf – wir beraten Sie gerne.
Alexander Herber ist Sales Director Public Solutions & Services bei USU und berät Behörden von Bund, Ländern und Kommunen zur Umsetzung von OZG-Projekten.
Simon Kischkel ist Executive Consultant bei USU und verantwortet mit seinen Experten-Teams die Umsetzung von Technologieprojekten im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes.
Das Gespräch führte für uns Dr. Thomas Gerick, Manager Corporate Communications der USU Software AG.