Die Ergebnisse einer aktuellen BITKOM-Studie sind eindeutig: Digitale Technologien verbessern nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen – sie können mit 34 Prozent einen großen und sehr positiven Beitrag leisten, dass Deutschland seine ambitionierten Klimaziele bis 2030 erfüllt. Aber das Verhältnis der Megatrends Digitalisierung und Klimawandel ist kompliziert.
IT & Nachhaltigkeit – mehr als Greenwashing?
Vor kurzem kündigte Google an, dass ab 2022 annähernd 80 Prozent aller Aktivitäten in Deutschland klimaneutral sind, also keinen CO2-Ausstoß mehr produzieren. Und bis 2030 möchte der Internet-Gigant allein in Deutschland eine Milliarde Euro in „saubere Energie und digitale Infrastruktur“ investieren. Alles nur Greenwashing, nur ein grüner Image-Anstrich? Google ist beim Öko-Trend nicht allein: viele Techfirmen verringern ihren relativen Stromverbrauch, kaufen Ökostrom oder verlegen Rechenzentren an kühlere Orte, um weniger Strom zu verbrauchen. Anfang 2020 kündigte Jeff Bezos an, einen „Bezos Earth Fund" mit einem Volumen von 10 Milliarden Dollar aufzulegen, mit dem Wissenschaftler, Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten für den Klimaschutz unterstützt werden sollen. Natürlich ist das positiv. Gleichzeitig weisen Kritiker darauf hin, dass auch Amazon z.B. auch mit Unternehmen Geschäfte macht, deren Geschäftsmodell auf fossilen Brennstoffen basiert. Amazon betreibt für das Geschäft mit der Öl- und Gasindustrie eine eigene Abteilung seines Cloud-Services.
Mit der dynamischen technologischen Entwicklung gehen zudem auch negative Entwicklungen einher. So steigt beispielsweise der Verbrauch des sozial und ethisch problematischen Rohstoffes Kobalt ebenfalls weiter an. Oder betrachten wir das Schürfen von Bitcoins, das nach Expertenschätzungen pro Jahr wegen des immensen Stromverbrauchs für 56 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich ist. Das sind etwa 8 Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs. Immerhin ist bereits heute mehr als die Hälfte des konsumierten Stroms hierfür grün, meint der Krypto-Forscher Alex de Vries. Auf die extrem hohe energetische Basis der Digitalisierung weist zudem eine im Fachblatt Science 2018 veröffentlichte Studie, die zum Schluss kommt, dass die weltweit 8 Millionen Rechenzentren einen Anteil von einem Prozent am globalen Stromverbrauch haben. Einer Borderstep-Studie zufolge lag der Energieverbrauch der deutschen Rechenzentren bei rund 16 Milliarden Kilowattstunden Strom in 2021. Das sind sogar drei Prozent des jährlichen Gesamtverbrauchs in Deutschland. Vor allem dezentrale Unternehmensrechenzentren verbrauchen dabei über die Hälfte der Energie – insbesondere hier sollte man im Sinne einer energieeffizienteren Entwicklung ansetzen. Dennoch gibt es auch in diesem Bereich positive Tendenzen: der Trend zum Cloud Computing, zu SaaS-Applikationen geht mit einer Konzentration der Rechenzentren einher, die – auch im eigenen Interesse – eine kritische Größe anstreben und nicht zuletzt dank moderner Kühlungsmethoden und besserer Auslastung deutlich energieeffizienter arbeiten können.
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Klimaschutz ohne IT geht nicht
Das Dilemma ist augenscheinlich. Der weltweite Einsatz von Rechnern, Netzwerken und Künstlicher Intelligenz steigt unaufhaltsam. Eines der zentralen Ziele ist es, mit Hilfe der Digitalisierung die klimaschädliche analoge Wirtschaft zu transformieren. Eine Energiewende ist ohne Digitalisierung nicht denkbar. Ein kleines Beispiel aus dem eigenen Haus: USU-Kolleg:innen fuhren dank Homeoffice, Videokonferenzen und virtuellen Events in 2021 über 500.000 Geschäftskilometer weniger als vor der Pandemie. Technik machte es möglich, und wir produzieren ja selbst Software, um interne wie externe Service-Teams auch im Homeoffice durch Wissensdatenbanken, Self Service oder Chatbots zu unterstützen.
Aber betrachten wir die großen Entwicklungen, denen die erwähnte BITKOM-Studie nachspürte: Zunächst bestätigt eine repräsentative Umfrage vom September 2021 im Auftrag des BITKOM das geteilte Bild, das die deutsche Bevölkerung bzgl. Chancen und Risiken der Digitalisierung für den Klimaschutz hat. Allgemein bekannt sind natürlich die Nachteile: 94 Prozent gehen z.B. davon aus, dass für die Herstellung technischer Geräte Rohstoffe ausgebeutet werden oder Elektroschrott anfällt. Aber insgesamt nehmen drei Viertel (74 Prozent) den Standpunkt ein, die Digitalisierung stelle eine Chance für das Klima dar. Zusammenfassend erklärt Dr. Bernd Rohleder, BITKOM-Hauptgeschäftsführer, die positiven Aspekte: „Mit der Digitalisierung halten wir einen starken Hebel in der Hand, um den CO2-Ausstoß schnell und effektiv zu senken. In der Industrie reduzieren Sensoren und smarte Maschinen den Energiebedarf auf ein Minimum. Automatisierte Systeme wirken unnötigem Heizen und Kühlen von Gebäuden entgegen. Durch Videokonferenzen und mobiles Arbeiten lassen sich Dienstreisen und Autofahrten in Büros vermeiden.“
Die von Accenture durchgeführte und Ende 2020 veröffentlichte BITKOM-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ untersucht den Beitrag, den Digitalisierung für das Klima leistet en detail.
Die wichtigsten Ergebnisse sind:
- Zur Erreichung des deutschen Klimaziels 2030 müssen 262 Mio. Tonnen CO2e reduziert werden. Eine beschleunigte Digitalisierung kann bis zu 58 Prozent dieser CO2e-Einsparungen realisieren.
- Die Geschwindigkeit der digitalen Transformation ist entscheidend für den Beitrag digitaler Technologien zum Klimaschutz. Bei beschleunigter Digitalisierung können die Positiveffekte um ein Drittel erhöht werden.
- Die größten Potenziale liegen in den Bereichen industrielle Fertigung, Mobilität, Energie und Gebäude.
- Die digitale Infrastruktur ist Grundlage für eine beschleunigte Digitalisierung. Der CO2-Fußabdruck der digitalen Infrastruktur kann durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien signifikant reduziert werden.
- Eine beschleunigte Digitalisierung zahlt nicht nur auf den Umwelt- und Klimaschutz ein, sie verbessert auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Digitalisierung kann Wirtschaftswachstum mit Umwelt und Klimaschutz vereinen.
- Nötig sind jetzt eine gezielte und mutige Flankierung durch die Politik und ein entschiedenes Handeln der Entscheidungsträger an der Spitze der Unternehmen.
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