Wie entwickelt sich der Markt für Consumer Finance, was kann Embedded Finance leisten, und welche technischen und organisatorischen Herausforderungen gilt es zu meistern? Aus der Sicht eines CIO beschreibt Karim el Abiary von der Creditplus Bank die aktuelle Branchensituation, seine Erfahrungen im Transformationsprozess und Erfolgsfaktoren für das Banking von morgen. Der folgende Text ist eine Zusammenfassung seiner Keynote im Rahmen der USU Financial Services Con 21.
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Welche Faktoren treiben das moderne Banking?
Wenn wir das Banking der Zukunft und die zu meisternden Herausforderungen auf dem Weg dorthin beschreiben möchten, ist es sinnvoll, zunächst mit den wesentlichen Treibern im Markt zu beginnen. Zuerst ist das Kundenverhalten und die Nachfrage zu nennen. Beide haben sich über die letzten Jahre hinweg dramatisch verändert. Zudem haben wir politische und regulatorische Einfluss-Faktoren. So ist für uns als Teil der Crédit Agricole-Gruppe die Europäische Zentralbank als Aufsichtsorgan zuständig, wir haben ferner die BaFin bzw. die Bundesbank. Außerdem gibt es makro- und sozioökonomische Faktoren, die wir berücksichtigen müssen. Dazu zähle ich zum Beispiel das niedrige Zinsniveau, das wir schon seit geraumer Zeit haben. Die meisten dieser Wirkfaktoren können wir nicht selbst steuern, sondern sie treiben uns. Technologie und Innovation habe ich bislang noch nicht erwähnt. Aber natürlich ist es entscheidend, diese zu nutzen.
Unsere “Banking is necessary, banks are not”
„Banking ist notwendig, Banken sind es nicht“ – diese visionäre Aussage stammt von Bill Gates aus dem Jahre 1994. Die Entwicklung der letzten Jahre hat aus meiner Sicht gezeigt, dass die Zeit der klassischen Hausbank vorbei ist. Wir müssen stärker ins Banking gehen, und nicht als monolithische Bank alte Strukturen aufrechterhalten.
Lassen Sie mich an dieser Stelle das Geschäftsmodell der Creditplus Bank skizzieren:
Wir haben uns auf die Konsumenten-Finanzierung spezialisiert. Diese bieten wir über die unterschiedlichsten Kanäle an. Wir haben Filialen, über die unsere Kunden Kredite beantragen, wir vergeben Kredite über die Website und arbeiten mit Vertriebspartnern zusammen. Zum Beispiel Händler, über die wir am Point of Sale Kredite anbieten. Ein weiterer Kanal sind Vergleichsportale. Unser Portfolio besteht aus dem klassischen Kredit, Leasing-Angeboten, Kreditkarten oder Spareinlagen als direkte Produkte. Dazu kommen Cross Selling-Produkte gemeinsam mit Partnern, zum Beispiel Versicherungen oder Bausparen.
Insgesamt ist dieser Markt nach wie vor sehr interessant. Denn wir sind damit nah an unseren Endkunden, an den Konsumenten dran. Allerdings drängen auch die FinTechs mit sehr innovativen Lösungen in den Markt, zum Beispiel mit Cash to Pay und Raten-Kauf, und erzeugen dadurch einen hohen Wettbewerbsdruck. Das erfordert ein Umdenken und neue Modelle.
Interessant ist zum Beispiel, dass Finanzierungen inzwischen zu 45 Prozent am Point of Sale erfolgen. Das heißt, gleichzeitig mit dem Kauf wird der Kredit bzw. die Finanzierung vergeben. Das bringt mich dann auch zu meinem nächsten Punkt. Wie hat sich das Kundenverhalten verändert? Das Stichwort ist „Realtime“ – der Kunde will die Finanzierung, wenn er das Produkt kauft. Die Finanzierung ist nur Mittel zum Zweck und rückt in den Hintergrund. Das hat auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeit. Und diese muss 24x7 sein.
Omnichannel Customer Experience
Aus Sicht eines CIOs sind damit deutlich höhere Anforderungen an die Verfügbarkeit der Systeme und der Services verbunden. Der Kunde erwartet, dass sein Bedarf früh erkannt wird, optimalerweise sogar noch vor, zumindest aber am Point of Sale. Er erwartet Mehrwert-Angebote, die genau zu seinem Bedarf passen. Das ist nicht nur die Finanzierung, sondern gegebenenfalls auch Versicherungen, die man gleich mit verkauft, um z.B. die Finanzierung abzusichern. Das Ganze muss über alle Kommunikationskanäle möglich sein. Denn der Kunde, der über das Internet kommt und dann in die Filiale geht, um seinen Kredit weiter zu diskutieren, will nicht wieder von Anfang an starten, sondern als Kunde wiedererkannt werden. Die Customer Experience muss bei allen Aktivitäten in seinem Ökosystem entsprechend hoch sein. Dazu zählen auch benutzerfreundliche Self-Services.
Integriertes Angebot und neue Rollen
Wettbewerbsfähigkeit ist wichtig. Dazu gehört aber auch die Erkenntnis, dass man nicht in jedem Segment der Beste sein kann. Das führt dazu, dass man immer stärker Produkte bzw. Lösungen von Partnern integrieren muss. Und das wiederum führt dazu, dass das klassische Bild des Bankers sich komplett verändert hat. Heutzutage braucht man keinen „Bank-Beamten“ mehr, sondern „Solution Engineers“, die mehrere Rollen haben, beispielsweise den „Capability-Provider“, der das beste Produkt bereitstellt, oder den „Orchestrator“, der verschiedene Produkte als Lösung für den Kunden kombiniert. Und wir brauchen den Client Agent, der diese über seine Vertriebskanäle den Kunden anbietet, aber auch die Impulse des Kunden aufnimmt und wieder in die Organisation reinbringt. Das gewährleistet, dass wir stetig an der Verbesserung der Services und Produkte bzw. deren Kombinationen arbeiten können.
Vom Monolith zum Netzwerk
Embedded Finance hat für uns zwei wesentliche Ausrichtungen. Die Services, die wir anbieten, müssen integriert sein in das Ökosystem und in die Wertschöpfungskette des Kunden. Sie sollten möglichst im Hintergrund ablaufen und nur den Kundenwunsch unterstützen. Auf der anderen Seite müssen wir in der Lage sein, Partner und deren Produkte einzubinden und diese Lösungen erfolgreich an den Kunden zu verkaufen. Und umgekehrt auch die Vertriebskanäle der Partner nutzen, um unsere eigenen Produkte zu verkaufen. Diese Entwicklung bedeutet einen kompletten Umbruch von einer monolithischen Bank hin zu einer Bank, die in einem Netzwerk agiert.
Betrachten wir z.B. den Aspekt der Finanzierung beim Autokauf. Der Autohändler nimmt die Daten des Kunden auf. Dabei machen wir als Creditplus Bank einen sogenannten Digital Account Check. Das ist alles papierlos. Der Kreditantrag wird auch dank KI auf der Basis Neuronaler Netze innerhalb von zwei Minuten bearbeitet und im Regelfall genehmigt. Danach wird das Ganze digital unterschrieben und abgeschlossen. Damit hat der Kunde sein Auto finanziert und kann dieses – wenn es auf Lager ist – auch gleich mitnehmen.
Kundenzentrierung und agile Organisation
Wie haben wir nun diese Transformation zur vernetzten Bank gemeistert? Zunächst haben wir bei der Creditplus ein „Customer First-Programm“ ins Leben gerufen, wo wirklich der Kunde im Fokus steht, wo wir regelmäßige Feedbackschleifen mit Kunden dazu nutzen, deren Impact in die Organisation zu überführen. Dazu haben wir sogenannte Kundenbotschafter etabliert, die nicht aus dem Sales, sondern aus der Organisation kommen. Um die Impulse auch effektiv umsetzen zu können, haben wir im nächsten Schritt eine agile Organisation aufgebaut, die Cross-funktionale Teams hat. Diese nehmen in „Sprints“ die jeweiligen Kundenanliegen auf und bewerten diese. Sie sind verantwortlich für ein effizientes „Time to market“. Dadurch erhöht sich die Geschwindigkeit bei der Umsetzung erheblich. Dabei lernen wir immer wieder dazu. Wichtig ist auch die technische Expertise der Mitarbeitenden, die permanent auf neue Technologien trainiert werden müssen, zum Beispiel neue Anwendungen auf Basis von KI. Als Querschnittseinheiten gibt es außerdem sogenannte Gilden. Diese sorgen dafür, dass die Themen Strategie, deren Umsetzung oder die Mitarbeiterentwicklung quasi als Klammer ebenfalls weitergetrieben werden.
Architektur, Architektur, Architektur
Eine der wesentlichen Herausforderungen ist es, Komplexität zu reduzieren. Wenn man sich die monolithische Legacy-Bankenwelt anschaut, dann ist die Komplexität der Systemlandschaften und Prozesse über die Jahre gewachsen. FinTechs haben hier andere Voraussetzungen, da sie auf der grünen Wiese starten können. Um Komplexität zu reduzieren, kommt daher dem Architekturmanagement eine hohe Bedeutung zu. Dazu gehört nicht nur die reine Plattform, sondern auch die Prozessarchitektur oder die Datenflüsse. Für den sukzessiven Legacy-Ausstieg benötigt man eine klar definierte Roadmap. Ein Aspekt hängt damit eng zusammen: Embedded Finance. Denn dabei geht es nicht nur um die Integration von Business-Partnern, sondern auch von Technologie-Partnern.
Compliance First bei Partnern
Bei der Integration von Partnern ist insbesondere ein Aspekt wichtig: die regulatorischen Anforderungen. Denn jeder Partner muss diese zwingend ebenfalls erfüllen, z.B. Risikomanagement oder Datenschutz. Und bei uns gilt inzwischen auch bei den Ausschreibungen, wenn wir uns Partner aussuchen, „Compliance First“. Das kann dazu führen, dass wir Partner, obwohl sie eine gute Lösung anbieten, nicht berücksichtigen können, weil sie die regulatorischen Anforderungen für uns nicht entsprechend umsetzen können.
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