Wissen im Service | USU Blog

Frauen in der IT - Überzeugen durch Können

Geschrieben von Dr. Thomas Gerick | Apr 6, 2022 1:00:00 PM

Fünf Tonnen schwer, 15 Meter lang und 2,5 Meter hoch war er, der erste Großcomputer der Welt. Ein Monster. Beherrscht von einer Frau – Grace Murray Brewster Hopper. Das war 1943. Sie war die Mutter aller Programmiererinnen. Und noch in den 80er Jahren war die DV-Entwicklung mehrheitlich ein Frauen-Job. Aber – heute sind wir mit dem Mangel konfrontiert. Nicht nur von IT-Fachleuten im allgemeinen, sondern vor allem von IT-Fachfrauen im Besonderen. In einer kleinen Interview-Serie möchten wir Ihnen drei „USU-lerinnen“ vorstellen. Und damit deutlich machen, dass ohne Frauen nichts mehr geht in unserer IT. Und das ist gut so.

Wir haben mit Christine Krase gesprochen. Christine identifiziert und konzeptioniert für uns als Chief Strategist KI basierte Anwendungsfälle sowohl für unsere eigenen USU-Lösungen als auch für attraktive Märkte im Bereich Industrial Services.

 

"Für mich gibt es nur ganz oder gar nicht, also 0 oder 1. Grauzonen liegen mir nicht."

 

 

 

Thomas: Als Einstieg in den Beitrag hatte ich auf Grace Hopper verwiesen. Sie hat die ersten Jahrzehnte der IT entscheidend geprägt. Wer hat Dein Interesse an der Informatik geweckt? Hattest Du solche weiblichen Vorbilder auf dem Weg in Deine IT-Karriere?

Christine: Na ja, zu Grace Hopper gibt es immerhin die Parallele, dass auch mein erster Computer ein Großrechner war… Meine Mutter arbeitete nämlich an einem Forschungsinstitut für angewandte Naturwissenschaften – und als Kinder durften wir dort am Großrechner „Schiffe versenken“ spielen. Das hat großen Spaß gemacht. Durch meine Mutter war ich also familiär „vorbelastet“. Und etwas später bekamen mein Bruder und ich einen Schneider CPC – auch eine Empfehlung meiner Mutter, da wir mit diesem im Gegensatz zum Commodore 64 besser programmieren konnten. In Wirklichkeit gab es dafür nicht so viele Spiele, denn sie wollte nicht, dass wir „rumdaddeln“.

Thomas: Das heißt, Dein Weg in den technischen Bereich war bereits in Deiner Schulzeit vorgezeichnet?

Christine: Definitiv. Erst neulich hatte ich meine alten Schulzeugnisse in der Hand. Die dokumentieren, dass meine großen Stärken im logischen Denken und der Mathematik liegen, weniger in den Sprachen. Und natürlich wählte ich auch Informatik als Schulfach ab der 11. Klasse, das war 1987. Das war für mich völlig normal – auch als Frau.

Thomas: Und nach dem Abi hast Du dich direkt ins Informatik-Studium gestürzt?

Christine: Nein – mir war es erstmal wichtig, etwas Handfestes mit klarem Bezug zur Praxis zu machen. Etwas Zukunftssicheres. Gleichzeitig war klar, dass mir Bereiche wie z.B. Marketing nicht liegen. Dazu denke ich viel zu sehr schwarz-weiß, nicht in Grauzonen, sondern binär. Also brauchte ich eher einen Labor-, keinen Laber-Job. Schon damals war mir bewusst, dass Daten das A und O sind. Ich begeisterte mich für Datenbanktechnologien und auch schon für Künstliche Intelligenz. Und so habe ich zunächst eine Ausbildung als mathematisch technische Assistentin am Forschungszentrum Jülich gemacht. Ich wollte Geld verdienen und nicht von Bafög leben.

Während der Ausbildung wurde mir jedoch klar, dass ich nicht 45 Jahre so weiterarbeiten wollte, und so begriff ich das anschließende Informatik-Studium als Sprungbrett für weitere Herausforderungen.

Thomas: Und – wie war der erste Tag an der Uni? Wie hast Du generell Deine Studienzeit empfunden?

Christine: Der erste Tag an der Uni war furchtbar, mehr als 500 Studenten in einem Betonbunkerhörsaal ohne Fenster. Man brauchte ein Opernglas, um zu erkennen, was an die Tafel geschrieben wurde. Aber ich hatte den Vorteil, die Inhalte der ersten Semester durch meine Ausbildung schon zu kennen. Meine Kenntnisse verhalfen mir außerdem zu lukrativ bezahlten IT-Nebenjobs. Zum Beispiel programmierte ich für eine Bibliothek ein Datenbankabfragesystem. Insgesamt kam ich locker durch das Vordiplom. Im Hauptstudium waren dann auch nur noch 200 Studierende übrig, davon 2 Frauen.
Und dann kam eigentlich erst das richtige Studium. Mein Vorteil war, dass es viele männliche Mitstudierende gab, die natürlich gerne mit mir 2er Gruppen in Kursen gebildet haben. Nur so bin ich z.B. durch mein elektrologisches Praktikum gekommen. Allein hätte ich das nicht geschafft. Bei einer anderen problematischen Prüfung – in theoretischer Informatik – hatte ich vorher Kontakt zum Assistenten des Prüfers aufgenommen und mal abgeklopft, mit welcher Strategie ich am besten diese Prüfung bestehe. Und so nutzte ich schon einige Male meinen Frauenbonus – und habe gelernt, dass es immer vorteilhaft ist, die richtigen Leute zu kennen. Aber eines ist klar: ohne, dass man zeigt, dass man selbst gute Leistungen bringt, funktioniert auch ein Frauenbonus nicht.

Thomas: Wie war Dein beruflicher Einstieg in die IT-Welt? Gab es wichtige Begegnungen oder Projekte, die Dich geprägt haben oder aus denen Du gelernt hast?

Christine: Es war ein gutes Gefühl, dass ich mich nicht bewerben musste, sondern unter mehreren Angeboten auswählen konnte. So habe ich mich für ein bekanntes Systemhaus entschieden. Das war gleich ein Sprung ins kalte Wasser. Ich war direkt für die Einführung einer Web-Content-Management Lösung auf Basis Vignette bei einem internationalen Konzern zuständig. Zusammen mit einem Kollegen, der auch gerade von der Uni kam, machten wir Konzeption, Architektur und Implementierung sowie technische Projektleitung. Wir haben das erfolgreich hinbekommen und viel Anerkennung erhalten. Da wusste ich, „Können“ und Verantwortung übernehmen ist wichtig und bringt mich weiter.

Mein Chef hatte erkannt, dass ich für den technischen Lösungsvertrieb geeignet bin. Denn da werden technisches Verständnis und Konzeptionsfähigkeiten benötigt, um eine Lösung zu entwerfen, die die Herausforderungen des Kunden erfüllt. Das habe ich viele Jahre gemacht und sehr viel Erfahrung gesammelt im Umgang mit Menschen und ihren Befindlichkeiten. Vielleicht bin ich deshalb auch heute für Strategie zuständig. Ein Projekt, was mich in der Folge bei USU geprägt hat, war z.B. ein Wissensmanagement-Projekt bei einem Nutzfahrzeughersteller. Ich sollte die fachliche Projektleitung übernehmen. Für die technische Leitung hatten wir uns für eine sehr junge, sehr fähige Kollegin entschieden – und so traten wir als verantwortliches Frauen-Tandem beim Kunden gegen lauter klassische Ingenieure im Alter über 50 Jahre mit jeder Menge Erfahrungswissen an. Und es wurde ein Super-Projekt. Denn die anfängliche Skepsis wich schnell, und wir konnten uns durch unsere Leistung das Vertrauen und den Respekt des kompletten Projektteams erarbeiten. Und durch weibliche Empathie und die Kommunikationsfähigkeiten schufen wir auch den emotionalen Rahmen für den Projekterfolg. Denn IT-Projekte bei Kunden sind immer auch Kultur-Projekte.

Thomas: Du schwärmst von der Projektarbeit – was macht IT denn so interessant für Dich? Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?

Christine: Der Einsatz von IT ist extrem vielseitig und abwechslungsreich. Man erhält so viel Einblick in unterschiedlichste Unternehmen und deren Prozesse, das ist für mich das Spannende. Im Arbeitsalltag bin ich meist damit konfrontiert, herauszufinden, was das wirkliche fachliche Problem ist und dann zu verstehen, ob es dafür überhaupt eine Lösung gibt. Und anschließend gilt es, die Balance zu finden zwischen Wunschkonzert, Goldrandlösung und dem realen Anwendungsfall, der dann auch wirtschaftlich sein muss. Wenn man ein Problem bzw. eine Aufgabenstellung nicht 100%ig erfüllen kann, sondern eine tragfähige realistische und wirtschaftliche Lösung konzipieren und umsetzen muss, dann muss man mit Bedacht vorgehen und unterschiedliche Interessen berücksichtigen. Jeder hat eine andere Perspektive, und da benötigt es viel Empathie, aber auch tieferes technisches Verständnis – diese Kombination ist eine Stärke, die ich in die Konzeptionsphase und Projektarbeit einbringen kann, um sowohl mit Data Engineers, IT-Architekten als auch mit Kunden bis zur C-Level-Ebene auf Augenhöhe zu reden. Jeder braucht eine andere Darstellung der Lösung, um zu verstehen, worum es geht.

Meine Erfahrung ist, dass man einer Frau immer dann sehr aufmerksam zuhört, wenn die Männerwelt erkennt: aha, die weiß, wovon sie redet, und teilt ihr Wissen. Dann ist es ganz einfach. Aber diese Hürde muss man überwinden. Praxiserfahrung ist da hilfreich, und auch Negativbeispiele kommen gut an. Wichtig ist es auch, sich ein Netzwerk aufzubauen und durch Aktivitäten wie Vorträge einen „Namen“ zu erlangen.

Thomas: Würdest Du Dich rückblickend heute anders entscheiden? Also für ein anderes Interessens- und Fachgebiet jenseits der IT?

Christine: Das ist schwer zu sagen. Ich kenne andere Fachgebiete zu wenig im Detail und vor allem auch die Nachteile nicht. Man sieht von außen eher die Vorteile, die manchmal sehr verlockend wirken. Ich bin stolz auf das Erreichte in 12 Jahren USU und sehr zufrieden mit dem, was ich gemacht und wie ich mich entschieden habe. Was mich alternativ noch interessieren würde, ist eine medizinische Laufbahn, aber das ist auch dadurch geprägt, dass ich eine lebensbedrohliche Krankheit überlebt habe und die moderne Medizin faszinierend finde.

Thomas: Was kannst Du jungen Frauen auf ihrem Weg in die IT-Welt mitgeben? Was muss sich Deiner Meinung nach ändern, damit mehr Frauen mathematisch-technische Berufe wählen?

Christine: Wenn man mathematisch veranlagt ist und logisches Denken liebt, dann ist mein Appell an alle Mädchen und Frauen, es einfach auszuprobieren. Klar, dazu gehört etwas Mut und Durchhaltevermögen – und auch selbstbewusstes Auftreten. Aber es lohnt sich. Wenn wir als Frauen durch Können überzeugen, ist vieles sehr einfach. Und die Voraussetzungen dafür waren noch nie so gut wie jetzt. Denn allein durch den Fachkräftemangel hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Es gibt genügend und sehr vielfältige IT-Rollen, für die man nicht der absolute Nerd sein muss. Im Zuge der Digitalisierung werden zunehmend IT-Fachleute gebraucht, die die technische Welt, die Prozesswelt und die Bedürfnisse der Menschen verstehen und alles miteinander verknüpfen können. Hier gibt es enorm viel Potenzial – insbesondere für Frauen in der IT.

Lust auf eine neue Herausforderung bei der USU? Dann werfen Sie einen Blick auf unsere Stellenangebote: