Ohne IT geht nichts mehr in unserer Wirtschaft. Und vor allem nicht bei uns. Das USU-Geschäftsmodell basiert auf IT-Lösungen und -Services. Normalerweise stehen diese Fachthemen im Vordergrund. Heute drehen wir den Spieß herum – und schreiben über die Menschen hinter den Kulissen. In einer kleinen Interview-Serie möchten wir Ihnen drei „USU-lerinnen“ vorstellen. Denn ohne Frauen geht nichts mehr in unserer IT. Und das ist gut so…
Als erstes haben wir mit Christine Schneider gesprochen. Christine leitet bei USU als Senior Consultant große Kundenprojekte im Bereich Digital Services & Solutions.
Thomas: Die Zahlen sprechen nach wie vor eine deutliche Sprache – nur knapp ein Fünftel der Belegschaft in der IT-Branche sind Frauen. Leider gab und gibt es immer noch jede Menge Klischees über Frauen und Technik. Wenn Du zurückblickst – warst Du je solchen Vorurteilen ausgesetzt?
Christine: Oh, da muss ich weit zurückgehen – aber am Ende meiner Schulzeit gab es tatsächlich eine diskriminierende Situation: Ich hatte einen der beiden Physik-Leistungskurse gewählt und nach einigen Monaten veranstalteten die Physiklehrer der beiden LKs eine Exkursion. Dabei fragte mich der Lehrer des anderen Kurses tatsächlich, warum ich immer noch dabei wäre. Ich wäre doch ein Mädchen und die würden Physik nicht verstehen…
Thomas: Wie hast Du reagiert?
Christine: Eigentlich nach dem „Jetzt-erst-recht-Prinzip“. Das war eher motivierend, zumal die anderen Erfahrungen in der Schule nur positiv waren. Wir waren zwei Mädchen unter vielleicht insgesamt 30 Jungs in Physik und haben das durchgezogen.
Thomas: Und nach dem Abi ging es dann direkt ins Physik-Studium?
Christine: Nein – im Gegenteil. Mein zweites LK-Fach war Englisch, und ich habe mich für Anglistik und Romanistik entschieden - ein spannendes und vielseitiges Studium. Im Anschluss habe ich im Rahmen eines Aufbau-Studiengangs mit Schwerpunkt Wirtschaft und Recht ein Pflichtpraktikum in Paris gemacht – und hier hatte ich tatsächlich meine ersten Berührungspunkte mit IT. Es ging um das Erstellen und Bearbeiten von Online-Schulungen. Hierfür nutzte man Ende der 90er Jahre HTML-Bausteine. Das hat so großen Spaß gemacht, dass ich mich direkt nach der Uni bei der IT der Fluggesellschaft Crossair in Basel beworben habe – und damit als Quereinsteigerin auch meine IT-Karriere begonnen habe.
Christine: Ich denke, es waren zwei Dinge. Zum einen meine Begeisterung für das Thema, das ich offensichtlich gut vermitteln konnte. Aber es gab auch einige thematische Überschneidungen zu dem, was ich bereits in Paris gemacht hatte. Denn auch dort ging es um Schulungen und Dokumentation, außerdem um das Testen von Software. Dabei konnte ich auch mit meinen HTML-Kenntnissen punkten.
Thomas: Welche Erfahrungen hast Du in Deinem neuen Job gemacht?
Christine: Natürlich war es herausfordernd, aber das war es auch, was mich reizte. Ich nutzte die gute Einarbeitung, die Weiterbildungsangebote und erfuhr in vielen Praxis-Situationen die Wertschätzung meiner IT-Kollegen. Als Frau war ich damals eine Exotin in diesem Bereich, aber empfand dies in keiner Weise als Nachteil.
Thomas: Wie ging es weiter? Du hattest dann eine mehrjährige Familienauszeit und bist danach wieder ins Berufsleben eingestiegen…
Christine: Ja, und natürlich wieder in die IT. Zunächst jedoch erstmal nur halbtags, ganz bewusst, um Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können. Überhaupt habe ich persönlich die Erfahrung gemacht, dass Kinder definitiv kein Karriereknick sind, sondern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf problemlos möglich ist – also keine Angst davor! Dies ist allerdings nicht überall der Fall, da manche Arbeitgeber Teilzeitkräfte auch heute noch nicht als Projektleitung für anspruchsvolle Projekte einstellen. Bei meinem zweiten Arbeitgeber in Bonn entwickelte ich für den Logistik-Bereich Labels aller Art: für Pakete, für den Zoll oder auch internationale Rechnungsformulare. Dazu habe ich mich immer weitergebildet, zum Beispiel in Java, SCRUM, IPMA, Requirements Engineering oder agiles Projektmanagement. Parallel zu den Labeln entwickelten wir eine Online-Wahl-Software und waren einer der ersten Anbieter in diesem Segment.
Thomas: Das sind ja ganz unterschiedliche Bereiche –Etiketten bzw. Label oder ein System für Online-Wahlen…
Christine: Genau. Aber diese breiten Möglichkeiten, die Software bietet, haben mich immer fasziniert. Es ist alles andere als abstrakt. Denn du siehst immer das Ergebnis – egal ob im Automotive-Umfeld, im Logistik-Bereich oder bei Baumaschinen…
Thomas: Bei Baumaschinen greifst Du – glaube ich – schon etwas vor… Das bezieht sich auf ein Kundenprojekt bei USU?
Christine: Ja, in der Tat bezieht sich das auf ein aktuelles Projekt bei Putzmeister. Nach 10 Jahren habe ich 2020 mit USU eine neue Herausforderung angenommen. Ich hatte mich initiativ beworben, weil ich die Vielfalt der Digitalisierungs-Projekte sehr spannend fand. Für das Kundenprojekt bei Putzmeister bin ich als Projektleiterin verantwortlich. Dort implementierten wir letztes Jahr ein zentrales Service-Portal für Händler, Kunden und Mitarbeiter auf Liferay-Basis, das wir in diesem Jahr erweitern.
Thomas: Putzmeister ist ja im Bausegment tätig – noch eine Männerdomäne. Kannst Du deine Erfahrungen im Projekt genauer beschreiben?
Christine: Das Projektteam von Seiten des Kunden besteht nur aus Männern, auch das vorherige Projekt mit einer Versicherung hatte eine sehr hohe Männerquote… Und ja, es gab am Anfang den ein oder anderen überraschten Blick, als wir uns zu Beginn des Projektes vorstellten. Aber das war es dann auch, und, rückblickend betrachtet, habe ich mich immer voll integriert und sehr respektiert gefühlt, es ging immer um die Sache, nie um einzelne Personen. Insgesamt waren wir auf USU-Seite 3 Frauen im 12köpfigen Projektteam. Schwieriger empfand ich die Tatsache, dass wir das komplette Projekt unter Corona-Bedingungen durchführen mussten. Es gab also nie ein persönliches Treffen – bis auf die eine sehr schöne Feier aus Anlass des erfolgreich realisierten Projektes im vergangenen Sommer.
Thomas: Oft wird gesagt, dass gemischte Teams besser zusammenarbeiten und produktiver sind. Kannst Du das bei Deinen Projekten bestätigen?
Christine: Definitiv! Ich sehe Unterschiede, in der Art zu arbeiten und zu kommunizieren. Tendenziell kommunizieren Frauen auch mehr und haben ein anderes Verständnis von Teamarbeit. Und in dem ein oder anderen Projekt führte der konstante Austausch auch dazu, manche Fehler frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Aber die Vorteile gemischter Teams beschränken sich nicht nur auf die Geschlechter, sondern betreffen zum Beispiel auch unterschiedliche Altersgruppen oder bereichsübergreifende Teams. Da bringt jeder seine Perspektive und Fähigkeit mit – das ist mir als Projektleiterin besonders wichtig.
Christine: Ich würde tatsächlich sagen, dass meine Kommunikations- und Teamfähigkeiten besonders ausgeprägt sind. Ich denke, dass ich Teams gut zusammenhalten und für eine Arbeitsatmosphäre sorgen kann, wo jeder sich wohl fühlt und gerne arbeitet. Dann stimmt auch das Ergebnis. Als Quereinsteigerin ist es für mich außerdem wichtig, dass ich den technischen Background verstehe. Für die Details gibt es die Spezialisten, aber mein Anspruch ist es, die Themen ausreichend zu kennen und beurteilen zu können. Das sind die Herausforderungen, die ich liebe.
Thomas: Was muss sich Deiner Meinung nach ändern, damit mehr Frauen technische Berufe
wählen?
Christine: Es hat sich schon viel getan – wenn wir zum Beispiel in der Schule an den „Girls Day“ denken. Inzwischen gibt es auch den Boys Day, bei dem Jungs einmal in früher typische Frauenberufe wie zum Beispiel in der Kranken- und Altenpflege reinschnuppern. Diese Aktion für eine klischeefreie Berufsorientierung ist gut – aber wir werden dieses Rollendenken erst überwunden haben, wenn es diese Bezeichnungen nicht mehr gibt. Und natürlich haben wir neben der Schule z.B. auch das familiäre Umfeld und die Peer Group als wichtige Einflussfaktoren. Wichtig ist, dass Kinder überall darin bestärkt werden, nach ihren eigenen Interessen und Neigungen zu handeln.
Thomas: Was kannst Du jungen Frauen auf ihrem Weg in die IT-Welt mitgeben?
Christine: Ich übertreibe jetzt bewusst, wenn ich sage, wichtig ist das Bauchgefühl. Man muss dem Herzen folgen, denn der Verstand ist Sachzwängen unterworfen, die häufig noch Klischee- und Rollen-belastet sind. Obwohl die Startbedingungen häufig ganz unterschiedlich sind, hat heute immerhin jede und jeder grundsätzlich die Chance, die Zukunft an den individuellen Interessen auszurichten. Manchmal kommt dies im zweiten Anlauf, aber viele Lebensläufe sind nicht geradlinig, und das ist oft gut so. Entscheidend ist der Spaß an der Arbeit, in die wir eine Menge Lebenszeit investieren. Und ein letztes: keine Angst haben vor der (Nicht-)Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familie. Denn die heutigen Arbeitsmodelle sind darauf ausgerichtet – Frauen wie auch Männer sollten davon Gebrauch machen.