Es tut sich was in der deutschen Industrie. Die Digitalisierung schreitet dynamisch voran – zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Branchenverbandes BITKOM vom Mai 2020. Bereits 81 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen Industrie 4.0-Anwendungen oder planen in Kürze deren Einsatz. Fast alle diese Organisationen werden im Zuge von Industrie 4.0 ihre Geschäftsmodelle ändern. Die Motoren dieser disruptiven Entwicklung sind zum einen eine immer stärkere Vernetzung industrieller Systeme, zum anderen sind es KI-basierte Technologien, mit deren Hilfe sich aus großen Mengen industrieller Daten komplexe Muster und Zusammenhänge detektieren lassen. Mittels so genannter datengetriebener Services lassen sich damit neuartige Geschäftsmodelle entwickeln bzw. die Produktivität etablierter Geschäftsmodelle verbessern.
Aus der Praxis zahlreicher KI-Projekte haben wir für Sie einige unserer wichtigsten Erfahrungen zusammengestellt. Sie sollen Ihnen dabei helfen, anfängliche Fallstricke in der Entwicklung datengetriebener Services zu vermeiden.
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Welche neuen Geschäftsideen bestehen den Praxistest? Entsprechende Produkte oder Services werden heute maßgeblich durch Kundenanforderungen definiert. Das betrifft interne Kunden, beispielsweise den Maschinenführer, der den Kalibrierungsprozess der Werkzeugmaschine verbessern will, ebenso wie externe Kunden, die beispielsweise an einem Pay-per-Use Geschäftsmodell interessiert sind. Am Anfang eines jeden KI-Projekts steht die Evaluierung eines so genannten Use Cases – eines erfolgversprechenden Anwendungsfalls.
Use Cases im Kontext industrieller Datenanalyse sind Anwendungsfälle, in denen Informationen aus großen Mengen unstrukturierter Daten extrahiert und zur Generierung neuer Produkte und digitaler Geschäftsmodelle verwendet werden. Dabei sind die Formen der Produkte und Geschäftsmodelle außerordentlich vielfältig. Beispielsweise sind das …
Die Umsetzung eines Use Cases wird mit Hilfe von Smart Services realisiert. Smart Services bestehen in ihrem Kern aus Analysealgorithmen, die Daten auf intelligente Art transformieren, um so nutzbringende Informationen zu extrahieren. Sie lassen sich je nach Aufgabengebiet in technische, wirtschaftliche und vertriebliche Smart Services kategorisieren. In vertrieblichen Smart Services steht das Kaufverhalten von Kunden im Vordergrund. Ein möglicher Anwendungsfall kann beispielsweise die Berechnung von Empfehlungen für den Kauf maschinenspezifischer Verbrauchsmaterialien sein. In wirtschaftlichen Smart Services kann beispielsweise eine Software-getriebene Optimierung der Produktionsprozesse erfolgen, mit dem Ziel, durch die richtige Maschinenkonfigurationen eine Reduktion des Ausschusses herbeizuführen. Das Funktionieren der Maschinen wird mittels technischer Smart Services überwacht. Sie werden beispielsweise dazu verwendet, Fehler in Produktionsprozessen zu erkennen oder den Verschleißgrad von Maschinenkomponenten vorherzusagen.
In realen Use Cases sind häufig mehrere, miteinander vernetzte Smart Services beteiligt, siehe Abbildung. Zum Beispiel berechnen technische Smart Services aus Sensordaten Kenngrößen für den Qualitätszustand einzelner Maschinenkomponenten, welche anschließend durch wirtschaftliche Services aggregiert werden (Use Case 1). In ihnen können durch Berücksichtigung weiterer Daten, neue Wertangebote geschaffen werden. Dies kann zum Beispiel die Berechnung der optimalen Maschinenkonfiguration zur Minimierung des Verschleißes eines bestimmten Bauteils sein.
Die Konzeption von guten Use Cases setzt das Wissen über interne Prozesse und deren Schwachstellen, Hintergrundwissen über Kunden und deren Bedürfnisse, technisches Fachwissen, strategisches Wissen sowie eine gehörige Portion Kreativität voraus. Im Idealfall können Sie daraus eine Auswahl von Use Cases entwickeln und deren Wichtigkeit für Ihr Unternehmen in einem Ranking evaluieren.
Fallstricke in der technischen Umsetzung eines Use Cases kann es sowohl bei der Implementierung der IT-Infrastruktur als auch in der Entwicklung geeigneter Analysesysteme geben. Beides ist unmittelbar miteinander verflochten. Aus Analysesicht ist ein zu geringer Informationsgehalt der Daten eines der häufigsten Hindernisse. Um dies frühzeitig zu erkennen, ist eine enge Abstimmung zwischen Fachexperten und Data Scientisten unabdingbar. Ggf. kann die Datenlage durch geeignete Maßnahmen verbessert werden, z.B. durch die Verwendung zusätzlicher Datenquellen oder einer verbesserten, dem Use Case angepassten Sensorik.
Use Cases müssen sich unmittelbar an den Gegebenheiten und Anforderungen des Kunden ausrichten. Spielen Kundendaten für die Entwicklung der Lösungen eine Rolle, sollten Sie prüfen, ob eine genügend große Anzahl von Kunden dazu bereit ist, die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen. Erfahrungsgemäß sind Unternehmen, die die Mehrwerte datengetriebener Ansätze verstehen und für sich erkennen, auch dazu bereit.
Um Use Cases im Zuge der Unternehmensdigitalisierung immer effizienter entwickeln zu können, sollten die dem Use Case zu Grunde liegenden Smart Services intelligent modularisiert sein. Dies hat zusätzlich den positiven Nebeneffekt, dass sich Fehler im Analyseprozess leichter identifizieren lassen.
Der zentrale Bestandteil eines Big Data Analytics-Projekts sind Daten. Neben den verwendeten Modellen bestimmt die Qualität der Daten den Erfolg Ihres Use Cases maßgeblich. Der Qualitätsbegriff macht erst in Kombination mit dem konkreten Anwendungsfall Sinn und beschreibt, ob genügend Informationen in Form von Trends, Mustern und Zusammenhängen in den Daten enthalten sind, um die Umsetzung des Use Cases zu gewährleisten. Dabei wird die Menge an Informationen einerseits durch die Wahl der Datensätze bzw. Messgrößen bestimmt, andererseits auch durch den Messprozess selbst.
Möchten Sie beispielsweise den Verschleißzustand eines Lagers durch Vibrationsmessungen bestimmen und positionieren Sie den Sensor zu weit entfernt vom Lager, so überlagern sich dem eigentlichen Verschleißprozess zusätzliche störende Vibrationen, welche die Extraktion wichtiger Merkmale erschweren oder sogar unmöglich machen können. Daher ist es wichtig, dass das Finden einer optimalen Messkonfiguration als ein aktiver wissenschaftlicher Prozess verstanden wird, in dem Messingenieure und Domänenexperten durch Data Science Know-how unterstützt werden, siehe Abbildung.
Konnten Sie die für die Realisierung des Use Case relevanten Datensätze und Messgrößen identifizieren, erfolgt im nächsten Schritt die algorithmische Umsetzung der in der Analysephase entwickelten Lösungsstrategie. Wichtig anzumerken ist hier, dass es im Allgemeinen keine universellen Lösungsformeln und Algorithmen gibt, um einen komplexen Use Case umzusetzen. Es ist vielmehr das Zusammenspiel von mathematischem Methodenwissen, Domänenwissen und Kreativität, was über den Erfolg der Umsetzung entscheidet.
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