Mit ITIL 4 wurde 2019 die nächste Evolutionsstufe der Best Practices im Service Management vorgestellt. Steigende Anforderungen und neue Technologien wie Cloud oder DevOps machten eine Überarbeitung der Servicemanagement-Bibel dringend erforderlich. Doch wo liegen die konkreten Unterschiede zu ITIL V3, und welchen Mehrwert bietet die neue Version für Unternehmen und deren IT-Abteilungen?
Dieser Artikel erläutert die Zusammenhänge und zeigt auf, welchen praktischen Nutzen ITIL 4 hat. Er ist ein Auszug aus einem umfangreichen Whitepaper, das die USU zusammen mit dem ITIL-Experten Stephen Mann verfasst hat.
Der Service Value bezieht sich auf den Nutzen und den Mehrwert, den eine Dienstleistung für Kunden und Unternehmen bietet. Er umfasst die Qualität, Zuverlässigkeit und Effizienz der Dienstleistung sowie ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu erfüllen.
ITIL 4 stellt die Wertschöpfung in den Mittelpunkt. Es definiert ein generisches Betriebsmodell, mit dem IT-Organisationen ihre Aktivitäten individuell beschreiben, ausführen, überwachen und optimieren können. Dieses Betriebsmodell definiert Best Practices für alle drei Bereiche Prozesse, Organisation und Technologie. Es legt fest, dass alle Serviceprozesse mit einer Anforderung (Demand) des Kunden beginnen und letztendlich zu einem Mehrwert (Value) für das Unternehmen führen müssen. ITIL 4 bezeichnet dieses wertorientierte Betriebsmodell als "Service Value System".
Der Kern dieses Betriebsmodells ist das Prozessmodell „Service Value Chain“. Es definiert sechs generische Aktivitätstypen, die für die Produktion von Mehrwertdiensten erforderlich sind:
Abbildung 1: Service Value Chain mit den 6 generischen Aktivitätstypen
Quelle: AXELOS, “ITIL Foundation: ITIL 4 Edition” (2019)
Diese Aktivitätsarten werden zur Kennzeichnung einzelner Prozessschritte in Serviceprozessen verwendet. Um den wertschöpfenden Charakter der Serviceprozesse zu unterstreichen, nennt ITIL 4 diese „Service Value Streams“. Ein einfacher Service Value Stream zur Lösung einer Störung kann wie folgt beschrieben werden:
In ITIL V3/2011 wurden die einzelnen Disziplinen einer IT-Organisation mit Hilfe von 26 ITIL-Prozessen beschrieben. In ITIL 4 geschieht dies durch die Definition von 34 "Practices". Die Practices gehen über die Beschreibungen der bisherigen ITIL V3/2011-Prozesse hinaus. In jeder Practice werden die folgenden Themen behandelt:
Die ,,Service Value Chain´´ ist ein Konzept im IT-Service-Management. Sie beschreibt den Prozess der Wertschöpfung bei der Bereitstellung von IT-Services. Die Service-Wertschöpfungskette umfasst verschiedene Aktivitäten wie Planung, Entwicklung, Bereitstellung und Unterstützung.
Wie bereits erwähnt, nennt ITIL 4 wertschöpfende Serviceprozesse „Service Value Streams“. Das ITIL 4 Foundation Book enthält die folgenden Beispiele:
Die Beschreibung des ersten Beispiels unter Verwendung der generischen Aktivitätstypen lautet:
„Service Value Chain“-Aktivität |
Relevante „Practices“ |
Rollen |
Aktivitäten |
Demand |
|
Lagerverwalter, Gabelstapelfahrer |
Das WLAN funktioniert nicht mehr, Aufträge können nicht mehr an den Gabelstapler übermittelt werden. |
Engage |
Service Desk, Incident Management |
Lagerverwalter, Service Desk Agent |
Die Störung wird telefonisch übermittelt. |
Deliver & Support |
Service Desk, Incident Management |
Service Desk Agent, Netzwerkspezialist |
Die Störung wird an die Netzwerkgruppe weitergeleitet |
Deliver & Support, Improve |
Incident Management, Change Enablement, Service Configuration Management, IT Asset Management, Continual Improvement |
Netzwerkspezialist |
Ein neuer WLAN Router wird konfiguriert, der alte ausgetauscht und der Router-Lagerbestand aktualisiert. Es wird überprüft, ob man den Fehler nicht frühzeitig hätte erkennen können. |
Engage |
Service Desk, Incident Management |
Service Desk Agent, Lagerverwalter |
Es wird überprüft, dass das WLAN wieder funktioniert. |
Value |
|
Lagerverwalter, Gabelstapelfahrer |
Aufträge können wieder an den Gabelstapler übermittelt werden. |
Engage, Improve |
Service Desk, Incident Management, Continual Improvement |
Lagerverwalter, Service Desk Manager |
Eine Zufriedenheitsumfrage wird ausgefüllt und eine Trendanalyse an den Service Desk Manager geschickt. |
Und hier zeigt sich der Mehrwert der Aktivitätstypen der Service Value Chain. Um eine wertschöpfenden Prozesskette abzubilden, muss ein „Demand“ den Anfang markieren, und eine Aktivität muss den „Value“ liefern. Man kann auch schnell erkennen, ob eine kontinuierliche Verbesserung („Improve“) Teil des Prozesses ist.
Das folgende Diagramm stellt den kompletten Prozessablauf dieses Service Value Stream-Beispiels dar. Es zeigt die Beziehungen zwischen allen in ITIL 4 definierten Elementen: der Service Value Stream, bestehend aus mehreren Service Value Chain-Aktivitäten, aufgeteilt in eine Sequenz von ITIL-4-Prozessen aus verschiedenen ITIL-4-Practices:
Abbildung 2: Service Value Stream “Die von einem Endanwender gemeldete Störung wird behoben” mit seinen Service Value Chain-Aktivitäten, Practices und Prozessen.
Dieses Diagramm zeigt auch die Grundidee von ITIL 4: Es bettet Prozesse in übergeordnete Werteströme ein, um deutlich zu machen, wo und wie diese Prozesse Mehrwerte liefern.