Wissen im Service | USU Blog

ITIL 4 Practices – und was sie für die Praxis bedeuten

Geschrieben von Martin Landis | Mar 12, 2021 8:22:09 AM

ITIL 4 Service Management Practices umfassen Geschäftsanalyse, Servicekatalog- und Design-Management, Verfügbarkeits- und Performance-Management sowie Service-Continuity-Management. Hinzu kommen Überwachung, Event-Management, Service Desk und Incident Management. Die Praktiken behandeln auch das Management von Serviceanfragen, Releases und Veränderungen, ergänzt durch IT-Asset-Management.

Die Information Technology Infrastructure Library (ITIL) beschreibt in ihrer Version 4 ein Betriebsmodell für das Bereitstellen von Services. Die bisher als ITIL-Prozesse bekannten Inhalte werden nun in Form von 34 „Practices“ anhand vieler Praxis-Beispiele erläutert. Dabei sind die einzelnen Practice-Dokumente mit teilweise über 50 Seiten sehr umfangreich. Im Vergleich zur vorhergehenden ITIL-Version gibt es identische, geänderte und auch komplett neue Inhalte. Der folgende Blog-Beitrag konzentriert sich auf die weit verbreiteten 13 Practices und fasst für Sie die Unterschiede zu den in ITIL v3/2011 beschriebenen Prozessen zusammen. Er ist ein Auszug aus einem umfangreichen White Paper, das die USU zusammen mit dem ITIL-Experten Stephen Mann verfasst hat.

ITIL 4 Service Management Practices ᐅ 13 Empfehlungen

Im Fokus stehen die Änderungen und Ergänzungen aus Prozessen, die heute bereits in vielen IT-Organisationen im Einsatz sind. In diesen Practices gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die Organisationen dazu motivieren, den Status quo zu überprüfen und Verbesserungspotentiale zu identifizieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Einbeziehung von „Swarming“ in das Incident Management.

Es ist also wichtig, diese Vorschläge von ITIL 4 zu verstehen, für die eigene Organisation zu bewerten und die vielversprechendsten im Unternehmen schließlich zu implementieren.

„Die neuen Practices von ITIL 4 beschreiben nicht nur den heutigen Status-Quo. Sie bieten vielfältige Anregungen und Empfehlungen auch für IT-Organisationen, die bereits heute einen hohen Reifegrad erreicht haben.“

1. Change Enablement

Der Name wurde von „Change Management“ in „Change Enablement“ geändert. Inhaltlich werden die Bedürfnisse moderner Organisationen bzgl. größerer Agilität und die Auswirkungen von DevOps und weitreichenden Automatisierungsmöglichkeiten auf die Planung und Durchführung von Changes berücksichtigt. Weitere Anpassungen erlauben eine Erhöhung der Häufigkeit und Schnelligkeit von Changes, um den gestiegenen Anforderungen der Business-Seite nach schnelleren Innovationen gerecht zu werden.

2. Continual Improvement

Zusätzlich zu der Namensänderung in „Continual Improvement“ integriert der ITIL-Prozess nun auch praktische Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung. Die neue Anleitung betont, dass kontinuierliche Verbesserung mehr ist als nur ein Prozess und die damit verbundenen Rollen. Vielmehr bedarf es einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung, und die PDF-Datei zu dieser Practice enthält Ratschläge, wie diese am besten entwickelt werden kann.

Abbildung: Prozess „Management of continual improvement initiatives” (Copyright © AXELOS Limited 2020)

3. Deployment Management

Wie das Release Management wurde auch diese Practice aus dem bisherigen Release- und Deployment Management herausgelöst. Ziel war es, die Unterschiede zwischen Releases und Deployments hervorzuheben. Weil es also nur um die technische Bereitstellung geht, gehört das Deployment Management zu den Technology Management Practices. Die wesentlichen Änderungen dieser Practice unterstützen das Ziel, IT-Changes im Unternehmen besser, schneller, sicherer und billiger zu machen.

4. Incident Management

Wie bereits erwähnt, wurde das Konzept des Swarmings und damit die kollaborative Bearbeitung von Incidents eingeführt. Künftig ist eine Person für einen Störfall bis zur Lösung verantwortlich. Die Vorteile sind vielfältig, z. B. schnellere und billigere Störungsbehebung, ein engagierteres und motivierteres IT-Support-Personal, und eine Erhöhung der Produktivität und Zufriedenheit der Servicekunden.

5. Knowledge Management

ITIL 4 führt neue anwendungsnahe Konzepte des Wissensmanagements ein, z. B. die „Aufnahmefähigkeit“. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit einer Organisation, den Wert neuer Informationen zu erkennen, sie in ein bestehendes Wissensmanagementsystem zu überführen und zur Unterstützung der Geschäftstätigkeit einzusetzen.

6. Monitoring and Event Management

In ITIL 4 sind alle Inhalte zum Thema IT Monitoring und Event Management in dieser Practice zusammengefasst und deutlich leichter zu konsumieren. Deshalb wurde auch der Name dieser Practice erweitert. Weiterhin wurde der aktuelle Stand der Technik bei den unterstützenden Tools und den Einsatzmöglichkeiten von Automatisierungen berücksichtigt.

7. Problem Management

ITIL 4 hat die Fehler- und Problembehandlung wieder eingeführt (error/problem control). Es wird auch mehr Wert auf die proaktive Störfallvermeidung gelegt und nicht nur auf die reaktive Lösung bereits aufgetretener Störungen. Die Problemerkennung geschieht dabei sowohl reaktiv als auch proaktiv. Insgesamt ist der Leitfaden für das Problem Management in ITIL 4 deutlich vollständiger und nützlicher als in den ITIL-Versionen zuvor.

8. Release Management

Im neuen Practice Release Management wurden u.a. aktuelle Prinzipien wie DevOps und Automatisierung berücksichtigt. Durch die Trennung vom Thema Deployment Management behandelt diese Practice nur noch die Bereitstellung neuer Software-Features. Aber wie im Deployment Management geht es darum, Software-Innovationen schneller als bisher den Kunden zur Verfügung stellen zu können.

9. Service Catalog Management

Diese Practice hat eine große Ähnlichkeit mit den Service-Design-Konzepten aus ITIL v3/2011. Es gibt aber zwei wichtige Neuerungen.

Zum einen wird zwischen Services und Serviceangeboten (Service Offerings) unterschieden. Das Serviceangebot stellt eine Bündelung einzelner Services dar. Der Servicekatalog wird somit noch kundenorientierter. Die zweite Neuerung ist die Beschreibung des Service-Request-Katalogs, der die verfügbaren Service Requests aus Sicht des Endanwenders anzeigt.

Allerdings wird in dieser Practice nicht auf das Thema Self-Service eingegangen, was sicherlich von vielen Lesern vermisst werden wird.

10. Service Configuration Management

Diese Practice konzentriert sich auf die Erfassung und Überprüfung von Configuration Items (CIs) und ist somit dem Konzept der letzten ITIL-Version sehr ähnlich. Die moderne Nutzung einer CMDB bzw. eines CMS zur Unterstützung der Change-Prozesse wird dagegen nicht in dieser Practice behandelt. Changes in der CMDB werden also automatisch in der Infrastruktur umgesetzt, bei Differenzen gilt der Status der CMDB.

11. Service Desk

Service Desk ist nicht mehr eine ITIL-Funktion, wie es in ITIL v3/2011 noch der Fall war. Diese Practice fokussiert auf die Zusammenarbeit mit Endanwendern, die Verbesserung der Kundenzufriedenheit und die bessere Unterstützung der Geschäftsziele durch den Service Desk. Dies spiegelt sich auch in den drei Prozessen der Practices wider: Bearbeitung von Benutzeranfragen (Queries), Kommunikation mit Benutzern und Optimierung des Service Desks.

12. Service Level Management

Bislang war das Service Level Management zu sehr auf die messbaren Serviceparameter ausgerichtet. In ITIL 4 gibt es mehr Ausgewogenheit in Bezug auf die funktionalen (Utility) und quantitativen (Warranty) Leistungsversprechen. Auch die Erwartungen bzgl. Überwachung und Reporting spielen eine größere Rolle. ITIL 4 behandelt außerdem auch standardisierte Services, z. B. Cloud- oder Outsourcing-Services für kleinere Firmen – und spiegelt so die aktuelle Praxis wesentlich besser wider.

13. Service Request Management

Die Inhalte dieser Practice sind deutlich praxisorientierter als zuvor. Eine wichtige Änderung ist z.B. die Behandlung des Service-Request-Katalogs. Außerdem wird die Notwendigkeit der stärkeren Automatisierung herausgestellt. Diese ist nicht nur eine Kernforderung aus den Guiding Principles von ITIL, sondern auch gelebte Praxis, wie die verstärkten Investitionen in die Workflow-Automatisierung und Service-Orchestrierung mittels aktueller ITSM-Tools zeigen. Wie in der Practice „Service Catalog Management“ fehlen auch hier die Erfolgskriterien zur Einführung eines Self-Service.