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Customer Experience Talk über Technologien und Mythen

CX-Experten-Roundtable mit Leslie O´Flahavan, Craig Stoss, Nate Brown, Jeff Toister und Arian Swinscoe. Customer Experience oder CX gilt als der Schlüssel für den Serviceerfolg von morgen. Das Erlebnis macht den Unterschied bei der Service-Leistung von Unternehmen. Für die Kunden – aber auch für die Mitarbeiter! In den letzten Wochen haben wir mit 5 international agierenden CX-Experten gesprochen. Dabei ging es um Technologien, die den Service-Alltag erleichtern, aber auch darum, welche CX-Mythen in der Praxis nicht funktionieren.

Die größte Lüge von Customer Experience ist, dass das Tool das Problem löst

Jarrod: Was kann Technologie heute leisten, dass sie zur Verbesserung von CX beiträgt – und wo bereitet sie Probleme oder schadet sogar? Betreffen diese Effekte die Agenten- bzw. Kundenseite gleichermaßen oder gibt es Unterschiede?

Craig: Die CX-Technologie liefert uns heute Tonnen von Daten, und das ist gut so. Um Kunden ein maßgeschneidertes Erlebnis zu bieten und ihre Bedürfnisse schnell zu erfüllen, benötigen wir Daten. Denn wir müssen verstehen, woraus sich Probleme entwickeln könnten, welche Erwartungen es gibt, welche Support- oder Kontaktkanäle gefordert werden usw. Die Technologie existiert heute, um uns all diese Informationen zu liefern – und damit ein unglaubliches Kundenerlebnis zu ermöglichen.

Aber: es muss sich jemand die Zeit nehmen, diese Daten zu verstehen und mit diesen tatsächlich zu arbeiten. Wir alle haben schon so viele schlechte Chatbots, Auto-Response-E-Mails, Umfragen oder Wissensdatenbank-Implementierungen gesehen, und der Hauptgrund dafür ist, dass man sich keine Zeit genommen hat, um tatsächlich zu erkennen, was der Kunde will und in welchem Format. Es ist vergleichsweise einfach, einen Chatbot zu implementieren und dann zu sagen: "Toll! Das ist erledigt!" Um Erfolg damit zu haben, muss man jedoch mehr tun: Man muss die Muster und Anfragen, die funktionieren bzw. nicht funktionieren, permanent beobachten und das Angebot ständig verbessern, damit es jedes Mal besser wird, wenn der Kunde es nutzt. Die größte Lüge der CX-Technologie ist, dass das Tool das Problem löst. Die Praxis zeigt: Das Tool kann uns Einblick in das Problem geben, und dann müssen wird es lösen.

Entscheidend ist, wie die CX-Technologie eingesetzt wird

Leslie: Technologie kann so viel dazu beitragen, eine einzigartige Customer Experience zu schaffen, aber halb genutzte, schlecht konfigurierte oder nur teilweise hilfreiche Technologie macht die Dinge nur noch schlimmer. Beispielsweise ist der Live-Chat eine großartige Technologie, die es Unternehmen erlaubt, Kundengespräche zu führen und eine Aufzeichnung des Gesprächs zu erstellen. Das ist großartig, insbesondere bei der Bereitstellung von technischem Support. Aber zu viele Unternehmen versäumen es, die Chat-Software vollständig zu konfigurieren oder den Chat-Kanal richtig zu besetzen. Ein Agent, der zu viele aufeinander folgende Chats bearbeitet, kann keine gute Kundenerfahrung bieten. Die Live-Chat-Technologie ist gut, aber wenn Unternehmen schlechte Hold-Skripte verwenden oder den Kunden zu lange auf einen Agenten warten lassen, kann die Technologie dem Kundenerlebnis tatsächlich schaden.

Es ist nicht die Technologie selbst, auf die es ankommt. Entscheidend ist, wie diese eingesetzt wird. Das gilt natürlich auch für agentenseitige Technologien. Wir haben zum Beispiel eine Menge großartiger Software für die agentenseitige Wissensdatenbank. Diese Software kommt mit vielen ausgefallenen Funktionen. Aber wenn wir nicht auch saubere, beständige Redaktions-Prozesse haben, kann die Technologie nur wenig zur Verbesserung des Agenten- oder Kundenerlebnisses beitragen. Ihr Unternehmen könnte über die teuerste, funktionsreichste, speziell angefertigte Wissensdatenbank verfügen, aber wenn Sie veraltete, schwer lesbare Artikel speichern, wird die Kundenerfahrung - und die Erfahrung der Agenten - darunter leiden.

Customer Experience: weniger Technologie ist mehr

Jeff: Es gibt definitiv einige Vor- und Nachteile sowohl für Kunden als auch für Agenten, wenn es um die Technologie geht. System-gestützt gibt es heute viel mehr Möglichkeiten, Probleme schnell zu lösen als je zuvor. In der Vergangenheit musste ich vielleicht einen Service-Anruf planen, um ein Problem wegen meines Kabel-TVs zu beheben. Jetzt kann ich online gehen und die Lösung finden oder mich einfach mit jemandem im technischen Support verbinden lassen, der mir umgehend helfen kann.

Der Nachteil ist, dass die Technik die Dinge oft zu kompliziert macht. Warum brauche ich als Kunde selbst für die einfachsten Probleme ein Konto und ein Passwort? Warum brauche ich als Agent drei Monitore und zehn verschiedene Softwareprogramme, nur um meinen Kunden die Hilfe zu geben, die sie brauchen? Der Schwerpunkt sollte wirklich auf dem pragmatischen Einsatz von Technologie liegen, um die Dinge einfacher und besser zu machen.

Adrian: Wenn Technologie einem Kunden oder Mitarbeiter hilft, etwas schneller und einfacher zu tun, dann hilft sie vermutlich. Das setzt allerdings voraus, dass beide Seiten diese Technologie auch nutzen wollen. Wenn die Technologie jedoch nur eingeführt wird, um beispielsweise Kosten zu sparen oder Anrufe auf der Kundenseite umzuleiten, und sie zwingt sie dazu, etwas zu tun oder zu benutzen, was sie normalerweise nicht tun würden, dann besteht die Gefahr, dass sie das Kundenerlebnis erheblich beeinträchtigt.

Dasselbe gilt für Technologie, die eingeführt wird, um den Mitarbeitern zu helfen, ihre Arbeit besser und leichter zu erledigen. Es gibt Untersuchungen von PwC, die zeigen, dass die große Mehrheit der Mitarbeiter mit Technologien unzufrieden sind, die Führungskräfte für sie ausgewählt haben, da die Praxisbedürfnisse nicht genügend berücksichtigt wurden. Und gleichzeitig zeigt die Studie, dass 73% der Mitarbeiter sagen, sie wüssten Systeme, die ihnen konkret helfen, qualitativ hochwertigere Arbeit zu leisten. Aber viele Führungskräfte nutzen die kollektive Intelligenz ihrer Mitarbeiter nicht.

Tools für Agenten verbessern die Kundenerfahrung

Jarrod: Wie wichtig sind Desktop-Tools und Software für Agenten, und wie wirkt sich das auf die allgemeine Kundenerfahrung aus?

Leslie: Benutzerfreundliche Desktop-Tools und Software sind extrem wichtig für die Qualität, die Schreibagenten Tag für Tag liefern müssen. Aber nicht alle Rechtschreib- und Grammatikprüfprogramme sind gleichwertig. Einige sind wirklich lausig. Wenn die Rechtschreibprüfung es zum Beispiel nicht erlaubt, Wörter hinzuzufügen oder das Wörterbuch anderweitig anzupassen, sollten man wirklich aufrüsten.

Aber: Die Verwendung einer Rechtschreibprüfung macht einen Agenten nicht zu einem besseren Redakteur. Jedoch unterstützt sie Agenten bei der raschen Korrektur und verbessert so die formale Qualität. Die Verwendung einer E-Mail-Vorlage macht einen Agenten ebenfalls nicht per se zu einem besseren Texter, aber sie unterstützt beim Aufbau.

Nate: Ich glaube, im Mittelpunkt dieser Frage steht der Umgang mit Wissen. Um eine schnelle und exakte Lösung zu liefern, benötigen Agenten direkten Zugang zu relevanten Informationen. Es ist unmöglich, dies ohne fortschrittliche Tools zu bewerkstelligen. Es ist wichtig, über die beste Technologie zu verfügen, aber erfolgskritisch ist die Art und Weise, wie Wissen aufbereitet und Werkzeuge gepflegt werden.

Der aktuelle G2-Bericht "State of Software" zeigt, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter angeben, dass sie aufgrund der von ihnen verwendeten Tools unzufrieden mit ihrer Arbeit sind. Ein kürzlich veröffentlichter 8X8-Report zur Mitarbeiterproduktivität weist nach, dass die Hälfte der Agenten täglich zwischen 30 Minuten und 2 Stunden damit verbringen, Informationen zu recherchieren. Das heißt, dass die Menschen enorm viel Zeit und Energie mit der Suche nach Informationen verschwenden, die leicht zugänglich sein sollten. In der Praxis wirkt sich das sowohl auf den Agenten als auch auf das Kundenerlebnis sehr negativ aus. Wir können es besser machen!

Der Weg zum optimalen Kundenerlebnis ist ein Prozess

Jarrod: Da CX relativ neu ist, wird viel darüber gesprochen, was Unternehmen tun sollten. Welche CX-Mythen haben sich in der Praxis aber als falsch herausgestellt?

Adrian: Da kann ich zwei der Dinge nennen, die mich besonders frustrieren:
Das Kundenerlebnis wird oft vom Gerede über Metriken und Punktzahlen dominiert. Darum geht es nicht. Es geht um die Erfahrung eines Kunden. Metriken und Scores sind nur ein Näherungswert oder ein Maß, und oft kein großartiger Indikator oder Maßstab dafür, wie wir unseren Kunden helfen, eine gute Erfahrung zu machen. Sie sind kein Selbstzweck.

Die Entwicklung neuer Technologien und die Idee der Omnichannel-Erfahrung hat dazu geführt, dass viele Organisationen immer mehr Kommunikations-Kanäle anbieten. Das Wort "Omni" bedeutet zwar "alle", aber es sollte nicht „alle verfügbaren“ Kanäle bedeuten. Vielmehr sollten damit alle diejenigen Kanäle gemeint sein, die für die Umsetzung der spezifischen Strategie einer Service-Organisation relevant sind. Im Zweifel ist es besser, bei einigen wenigen Kanälen großartig zu sein als bei vielen durchschnittlich.

Nate: Ein gefährlicher Mythos ist die Vorstellung, dass die Einstellung einer CX-Führungskraft Organisationen automatisch „kundenzentrierter“ macht. Das ist falsch. Im Gegenteil könnten die Dinge noch schlimmer werden, wenn Service-Mitarbeiter ihre Verantwortung, großartige CX zu praktizieren, auf den neuen Leiter projizieren. Es ist die Aufgabe des CX-Leiters, alle anderen zu begeistern und zu einer optimalen Erlebnis-Strategie beizutragen. Aus diesem Grund ist eine starke funktionsübergreifende Taskforce die beste Strategie, um den Veränderungsprozess für ein Kundenerlebnis der Extraklasse zu begleiten.

 

Leslie O´Flahavan, Craig Stoss, Nate Brown, Jeff Toister sowie Adrian Swinscoe sind Führungskräfte und erfahrene Berater mit langjähriger Expertise in den Bereichen Customer Service, CX-Strategien und -Innovationen. 

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